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Chancen und Risiken der Kostenlast in Schiedsverfahren „How much is the fish?”

  • 10 September 2021 10 September 2021

I. Einführung

Geld regiert die Welt – insbesondere bei Rechtsstreitigkeiten. Die Kostenlast, die Parteien im Rahmen eines Schiedsverfahrens trifft, kann erheblich sein. Daher stellt sich die Frage, wie Parteien das Risiko der Kostenlast beeinflussen können.

Die Kosten des Schiedsverfahrens setzen sich aus Verfahrensgebühr, Schiedsrichtervergütung und Auslagen (insbesondere Anwalts- und Sachverständigenkosten) zusammen. Ein gewichtiger Kostenunterschied zum ordentlichen Gerichtsverfahren ist die gängige Berechnung der Anwaltskosten anhand eines Stundensatzes anstelle des streitwertabhängigen Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.[1] Das Schiedsverfahren kann für die unterliegende Partei daher wesentlich teurer und für die obsiegende Partei deutlich günstiger werden. Die drohende Erstattung gegnerischen Anwaltskosten und Verfahrensgebühren hängt wie ein Damoklesschwert über den Parteien. Das Schiedsverfahren bietet jedoch Möglichkeiten, auf die Verteilung der Kosten Einfluss zu nehmen und birgt somit Chancen aber auch Risiken.

II. Die Kostenentscheidung des Schiedsgerichts

Vereinbaren die Parteien nichts Abweichendes und legt die von ihnen gewählte Schiedsordnung keine ausdrückliche Kostenregelung fest, steht die Kostenentscheidung nach deutschem Recht gemäß § 1057 Abs. 1 S. 2 ZPO im Ermessen des Schiedsgerichts. Dieses entscheidet, welche „notwendigen“ Kosten von welcher Partei zu tragen sind.

Notwendig“ sind Kosten, die eine verständige Schiedspartei in der konkreten prozessualen Situation als sachdienlich ansehen durfte, inklusive solcher Kosten, die zur erfolgreichen Verteidigung zwingend und geeignet erscheinen. Unter mehreren vergleichbaren Maßnahmen ist dabei nur die kostengünstigere „notwendig“.[2]

Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit der Kosten von UnternehmensjuristInnen verdeutlicht die unklaren Grenzen der „Notwendigkeit“ von Kosten. Zwar vermag ein Syndikus die Kosten für externe Prozessbevollmächtigte verringern, gleichzeitig handelt es sich dabei regelmäßig um unabhängig von dem Schiedsverfahren anfallende Kosten („Sowieso-Kosten“).[3]

Das Schiedsgericht entscheidet nach freiem Ermessen; es ist nicht an die staatliche Kostenregelung des § 91 ZPO gebunden.[4] Es kann somit selbst wählen, nach welchen Regeln es die Kosten verteilt. Dabei kann das Schiedsgericht sich insbesondere an den folgenden verbreiteten Kostenregelungen orientieren:

Nach der English Rule („costs follow the event“) muss die unterliegende Partei die Kosten der obsiegenden Partei erstatten (Anwendungsbeispiel: Art. 42(1) der UNCITRAL Arbitration Rules 2013). Die unterliegende Partei soll dafür bestraft werden, die obsiegende Partei zu einem Schiedsverfahren gezwungen zu haben.[5] So sollen grund- und aussichtslose Klagen vermieden werden.[6] Daneben gibt es den Issue-Based Approach, bei dem die Kosten proportional zum Erfolg der einzelnen Streitpunkte verteilt werden (Anwendungsbeispiel: Art. 28(4) der LCIA Arbitration Rules 2020).[7]

Bei der American Rule trägt hingegen jede Partei ihre eigenen Kosten, nur die Verfahrenskosten werden verteilt.[8] Für diese Regelung spricht das grundlegende Recht auf Verfolgung eines möglichen Anspruchs. Parteien sollten nicht aufgrund der Sorge vor einer erheblichen Kostenlast von der Verfolgung eines Anspruchs abgehalten werden.

Ein eindeutiger Trend zu einem dieser Kostenmodelle ist nicht zu erkennen. Ein Blick in die Praxis verrät dennoch, dass die Kostenverteilung häufig mit dem Erfolg einer Partei verbunden ist[9] und somit letztlich das in § 91 ZPO verankerte und auch nach der English Rule praktizierte Unterliegenprinzips als Grundlage dient.[10]

1. Chancen

Ein Vorteil der freien Ermessensentscheidung des Schiedsgerichts liegt insbesondere in der dadurch möglichen Einzelfallbetrachtung. Das Schiedsgericht kann – abgesehen vom Ausgang in der Hauptsache – weitere, ihm relevant erscheinende Umstände berücksichtigen. Zunächst kann eine Partei, die das Verfahren zügig und kosteneffizient betrieben hat, durch eine geringere Kostenlast belohnt werden. Fällt eine Partei hingegen durch sogenannte „Guerilla-Taktiken“, also verzögerndes, unangemessenes oder sonst störendes Verhalten, auf, kann eine Sanktionierung dieser Taktik durch Auferlegung von Kosten erfolgen.[11] Daneben können Ethikverstöße der Partei(-vertreterInnen) innerhalb der Kostenentscheidung berücksichtigt werden[12] und so insgesamt zu einem zügigen und fairen Verfahren beitragen. Nicht zuletzt trägt der Ermessensspielraum des Schiedsgerichts dazu bei, den Kostenregelungen unterschiedlicher Jurisdiktionen Rechnung zu tragen.

2. Risiken

Ein Risiko der Ermessensentscheidung ist die Unvorhersehbarkeit der schiedsrichterlichen Kostenentscheidung. Es ist zu befürchten, dass das Schiedsgericht Kosten ohne Beachtung besonderer Faktoren im Einzelfall – wie beispielsweise eine unangemessen hohe Honorarvereinbarung von Sachverständigen oder Prozessbevollmächtigten – der anderen Partei auferlegt. Zudem ist nicht auszuschließen, dass aufgrund einer überzogenen Einzelfallbetrachtung die obsiegende Partei Kosten zu tragen hat, die durch ein wesentliches, aber erfolgloses Argument oder anderweitige Kosten, beispielsweise jene von UnternehmensjuristInnen, auf die andere Partei abgewälzt werden. Insbesondere diese Problematik wird in der Praxis häufig durch Ausschluss der Kosten[13] oder Begrenzung der Stundensatzhöhe für UnternehmensjuristInnen gelöst. Besonders überraschend kann das Vorgehen mancher Gerichte sein, bei der Kostenverteilung auch vorerst vertrauliche außergerichtliche Vergleichsvorschläge zu berücksichtigen, die von einer Partei im Laufe des Verfahrens unterbreitet aber abgelehnt wurden. Stellt sich später heraus, dass das gesamte Verfahren durch die Annahme eines zumutbaren Vergleichsvorschlags hätte vermieden oder verkürzt werden können, kann die ablehnende Partei mit einem negativen Kostenzuspruch unter Bezugnahme auf den unterbreiteten Vergleich bestraft werden. Sogenannte „Calderbank-Offers[14] sollen einen Wettlauf zur Vernunft initiieren und Parteien gegenseitig dazu bewegen, Vergleichsvorschläge, die das Prozessrisiko möglichst realistisch wiedergeben, zu unterbreiten.

III. Praktische Aspekte und Möglichkeiten der Einflussnahme

Um sich nicht der unvorhersehbaren Kostenentscheidung des Schiedsgerichts auszusetzen, können die Parteien die Kostenlast selbstständig verteilen. Zu diesem Zwecke sollten sie sich schon vor Einleitung eines Schiedsverfahrens über die Kostenlast und die Einflussmöglichkeiten Gedanken machen.

Dafür können Parteien dem Schiedsgericht die Ermächtigung zur Kostenentscheidung in der Schiedsvereinbarung oder – nach Einleitung des Schiedsverfahrens – in einer Verfahrensvereinbarung entziehen. Im Rahmen der Schiedsvereinbarung machen Parteien sich selten Gedanken über die spätere Kostenlast eines Schiedsverfahrens. Jedoch gewährleistet auch die spätere Verfahrensvereinbarung eine angemessene Kostenverteilung, da den Parteien zu diesem Zeitpunkt die Rechtsauffassung des Schiedsgerichts nicht bekannt ist. Ein Formerfordernis besteht nicht.[15] Die Kostenabsprache sollte jedoch stets das Verfahrensrisiko berücksichtigen. Die Gewissheit zu Obsiegen stellt dabei Chance und Risiko zugleich dar.

Statistiken der ICC zufolge machen die Kosten der Parteien 82 % der Gesamtkosten des Schiedsverfahrens aus.[16] Diese Kosten sind sehr variabel und im Gegensatz zu den Verfahrenskosten nur bedingt planbar. Die Wahl der Schiedsinstitution bietet daher eine weitere Möglichkeit, die Verfahrenskosten des Schiedsverfahrens zu senken. Das Einsparpotential ist laut Statistiken der ICC nicht ganz unbedeutend. So stellen zwar die administrativen Kosten der Institution nur etwa 2 % der Gesamtkosten dar, gemeinsam mit den Kosten des Schiedsgerichts (ungefähr 16 % der Gesamtkosten) belaufen sie sich insgesamt doch auf knapp 20 % der Kosten des durchschnittlichen Schiedsverfahrens.[17]

Wie sehr Kosten durch die Wahl der Schiedsinstitution gesenkt werden können, zeigt eine beispielhafte Berechnung: Ein Schiedsverfahren mit drei Schiedsrichtern und einem Streitwert von EUR 500.000 kostet bei der ICC rund EUR 115.328, bei der SCAI EUR 87.079, bei der VIAC EUR 67.875 und bei der DIS nur EUR 46.585.[18] Mithin können sich die Kosten für die Schiedsinstitution und die Schiedsrichter je nach Wahl mehr als verdoppeln.

Schließlich kann das Risiko der Kostenlast auch an Prozessfinanzierer abgegeben werden. Diese übernehmen Teile oder sogar die gesamten Kosten des Schiedsverfahrens und erhalten im Gegenzug bei Obsiegen einen Anteil am zugesprochenen Geldanspruch. Im Falle des Unterliegens geht der Prozessfinanzierer hingegen leer aus und kann sich die eigenen Kosten nicht erstatten lassen.[19] Ein Verfahren ist für Prozessfinanzierer voraussichtlich nur bei überdurchschnittlich guten Gewinnaussichten attraktiv.

IV. Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die flexible Kostenverteilung in Schiedsverfahren die Chance bietet, die Kosten des Verfahrens anhand der Interessen der Parteien und abweichend von ordentlichen Gerichtsverfahren zu verteilen. Eine Kostenentscheidung durch das Schiedsgericht ist für die Parteien bis zuletzt nicht vorhersehbar. Dies bietet wiederum den Anreiz, unangemessene Verfahrensverzögerung zu unterlassen. So werden kosteneffiziente und faire Schiedsverfahren gewährleistet.

Allerdings können die Parteien die Kostenverteilung vorab selbst festlegen und somit ihre Kosten vorausschauend planen und für Rechtssicherheit – jedenfalls hinsichtlich des Kostenrisikos – sorgen.

Also – how much is the fish? Es kommt darauf an.

 
[1] Ahrens/Erdmann, Die Erstattung von Zeithonoraren im Schiedsgerichtsverfahren, NJW 2020, 3142 Rn. 3; Wilske/Markert, in: BeckOK ZPO, 40. Auflage (01.03.2021), § 1057 Rn. 6; Saenger, in: Zivilprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 1057 Rn. 12, OLG München, Beschluss vom 04.07.2016 – Az. 34 Sch 29/15, SchiedsVZ 2017, 40 Rn. 40.
[2] BGH, Beschluss vom 11.11.2003 – Az. VI ZB 41/03, NJW-RR 2004, 430 Rn. 10.
[3] Wilske/Markert, in: BeckOK ZPO, 40. Auflage (01.03.2021), § 1057 ZPO Rn. 5.
[4] Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 1057 Rn. 3.
[5] Bartsch, Third-Party Funding – A New Player in the Field of Cost Allocation, SchiedsVZ 2021, 12, 14.
[6] Fischer/Peter, Costs Follow Conduct – A Musical Altercation, Kluwer Arbitration Blog, 26.10.2017.
[7] Bartsch, Third-Party Funding – A New Player in the Field of Cost Allocation, SchiedsVZ 2021, 12, 14.
[8] Bartsch, Third-Party Funding – A New Player in the Field of Cost Allocation, SchiedsVZ 2021, 12, 14.
[9] Bartsch, Third-Party Funding – A New Player in the Field of Cost Allocation, SchiedsVZ 2021, 12, 14; Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2. Auflage 2003, 654.
[10]Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 1057 Rn. 3.
[11] Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2017, § 1057 Rn. 14.
[12] Schima/Sesser, Die von Parteivertretern in internationalen Schiedsverfahren zu beachtenden Ethikstandards, SchiedsVZ 2016, 61, 62.
[13] Wilske/Markert, in: BeckOK ZPO, 40. Auflage (01.03.2021), § 1057 Rn. 5.2.
[14] Zurückgehend auf den englischen Fall Calderbank v. Calderbank [1975] 3 All ER 333 (EWCA).
[15] Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 1057 Rn. 2.
[16] Techniques for Controlling Time and Costs in Arbitration, ICC Publication 843, Introduction.
[17] Techniques for Controlling Time and Costs in Arbitration, ICC Publication 843, Introduction.
[19] Bartsch, Third-Party Funding – A New Player in the Field of Cost Allocation, SchiedsVZ 2021, 12, 13.

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